Wir haben diese Initiative gegründet, weil wir das Verhalten des offiziellen Österreich gegenüber Flüchtlingen nicht länger schweigend hinnehmen wollen


HINTERGRUNDINFORMATION ZU DEN EINZELNEN FORDERUNGEN DES GEMEINSAMEN AUFRUFS

“Unmenschlichkeit löst keine Probleme! Für einen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik”

Anhang 1 – Abschiebung gut integrierter Personen oder Familien

Bleiberecht oder Ausweisung?

Bis zur Fremdenrechtsnovelle, die mit 1.4.2009 in Kraft getreten ist und mit der das so genannte Bleiberecht im Asyl-, Fremdenpolizei- und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzt implementiert wurde, hatte sich eine Vielzahl von Fällen langjährig im Land befindlicher, gut integrierter AsylwerberInnen mit negativem Asylbescheid aufgestaut. Seither haben Magistrate, Bezirkshauptmannschaften und Asylbehörden eine Reihe von Fällen abgearbeitet und auf Basis von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention einen nicht unwesentlichen Teil positiv entschieden, also eine Ausweisung als auf Dauer unzulässig befunden. Zugleich gibt es jedoch nach wie vor eine Vielzahl an Fällen, in denen Personen abgeschoben werden, obwohl sie gut integriert sind.

In der Realität ist es für Betroffene oft ein Lotteriespiel, ob sie ein Bleiberecht erhalten oder nicht. Ähnlich gelagerte Fälle werden von den entscheidungsbefugten Instanzen oftmals gänzlich unterschiedlich beurteilt

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. Viele der von Abschiebung bedrohten Personen werden nicht einmal zu einer Anhörung eingeladen. Kinder, die in Österreich aufgewachsen sind und hier schon viele Jahre in die Schule gehen, müssen zittern, ob sie aus ihrer Umgebung herausgerissen werden

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. Immer wieder werden auch Beziehungen und Familien auseinander gerissen.

Grundlagen der Beurteilung

Die Grundlagen für die Beurteilung, ob eine Ausweisung auf Dauer – und nicht etwa aufgrund einer Erkrankung bloß vorübergehend – unzulässig ist, bildet Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser schützt das Privat- und Familienleben und erlaubt den Staaten nur dann Eingriffe in dieses Menschenrecht, wenn die nationale oder öffentliche Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verhütung von Straftaten, der Schutz der Gesundheit oder der Moral oder der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dies rechtfertigen. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat eine Reihe von Kriterien entwickelt, die er aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte abgeleitet hat und die bei der Abwägung der Interessen des Staates bzw. des Betroffenen heranzuziehen sind. Diese Kriterien des Verfassungsgerichtshofs wurden in die jeweiligen österreichischen Gesetze übernommen.

Im gesetzlich festgelegten Katalog werden folgende zu berücksichtigende Aspekte genannt:

  1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
  2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  4. der Grad der Integration;
  5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
  6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
  8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
  9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des „Fremden“ in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Über diese 9 Punkte hinaus sind jedoch noch eine Reihe weiterer Umstände relevant, die nicht in den Gesetzeskatalog Eingang gefunden haben: etwa die Geburt im Aufenthaltsstaat, das Alter zum Zeitpunkt der Einreise, ob zum Zeitpunkt der Einreise Flüchtlingseigenschaft oder Anspruch auf Schutz bestand oder ob existierendes Familienleben zerrissen wird.

Vorhandene Integration mit Totschlagargument ausgehebelt

Damit eine Ausweisung aufgrund des schützenswerten Privat- und Familienlebens für auf Dauer unzulässig erklärt wird, wird oft ein gewisses Maß an Integration verlangt. Integration ist aber während des Asylverfahrens politisch nicht erwünscht und wird nicht gefördert. AsylwerberInnen werden oftmals in abgelegenen Regionen untergebracht, haben meist keinen Zugang zu kostenlosen Deutschkursen, zu Ausbildung oder zum Arbeitsmarkt. Trotzdem schaffen es Asylsuchende immer wieder in Österreich gut Fuß zu fassen. Doch auch auf diese Menschen wartet ein Fallstrick. Oft wird von den Behörden als alles entscheidendes Argument für die Ausweisung das Kriterium herangezogen, dass „den Antragstellern bewusst sein musste, dass sie ihr Privatleben in einer Zeit des unsicheren Aufenthaltsstatus geschaffen haben.“ Damit wird jede noch so gute Integration dieser Familien ausgehebelt.

Antrag auf Bleiberecht schützt nicht vor Abschiebung

Ein Antrag auf neuerliche Prüfung des Bleiberecht hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sich die Integration seit der behördlichen Ausweisungsentscheidung verstärkt hat, beispielsweise durch die Geburt eines Kindes, das einen längerfristig aufenthaltsberechtigten Elternteil hat, oder die erfolgreiche Absolvierung eines Deutschkurses. Allerdings kann der Antragsteller noch vor der Entscheidung abgeschoben werden, denn durch den Antrag entsteht kein vorläufiges Aufenthaltsrecht.

Veränderungen ab 2014

Bei der Einführung des „Bleiberechts“ im Jahr 2009 wurde für jene AsylwerberInnen, die bereits vor dem Stichtag 1.5.2004 eingereist und bei denen aufgrund der alten Rechtslage im Asylverfahren noch keine Prüfung der Ausweisungshindernisse erfolgt war, ein spezielles Verfahren geschaffen. Im Wesentlichen sollte auch ein geringerer Grad der Integration ausreichend sein für die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen. Paten konnten mit einer Verpflichtungserklärung z.B. fehlendes eigenes Einkommen abdecken. Ab 2014 wird zumindest der Forderung, die Stichtagsregelung bei Vorliegen von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu ändern, realisiert werden. Statt der Voraussetzung, den Asylantrag vor 1.5.2004 gestellt zu haben, kann dieses spezielle„Bleiberecht“ künftig nach 5 Jahren, davon 3 mit legalem Aufenthalt, beantragt werden. Auch werden die sog. Aufenthaltstitel aus „berücksichtigungswürdigen Gründen“ von einer zentralen Bundesbehörde, dem neu geschaffenen „Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl“ behandelt werden, womit die zum Teil erheblichen Auslegungsunterschiede der Bezirkshauptmannschaften und Magistrate ein Ende finden könnten. Die Erteilungsvoraussetzungen für diese Aufenthaltsberechtigungen bleiben aber unverändert hoch (Unterkunft, Krankenversicherungsschutz, Unterhalt) und bei einer bereits bestehenden Ausweisung/Rückkehrentscheidung sind selbst gutwilligen Behörden die Hände gebunden. Die Situation von Menschen, die nicht in der Lage sind, voll am Erwerbsleben teilzunehmen, bleibt weiterhin unberücksichtigt.

Anhang 2.1 – Zugang zu Arbeit für Asylsuchende

Kein effektiver Arbeitsmarktzugang

AsylwerberInnen haben theoretisch drei Monate nach Zulassung zum Asylverfahren in Österreich Zugang zu selbständiger und unselbständiger Arbeit. Faktisch ist der Zugang zum Arbeitsmarkt jedoch so stark eingeschränkt, sodass die meisten AsylwerberInnen keiner legalen Beschäftigung nachgehen können.

Mannigfaltige Blockademechanismen

  • Hürde Nummer eins ist das Ausländerbeschäftigungsgesetz. Dieses sieht vor, dass Asylsuchende bei der Vergabe von Beschäftigungsbewilligungen nachrangig gegenüber ÖsterreicherInnen, anderen EU-BürgerInnen und bereits in den Arbeitsmarkt integrierten Drittstaatangehörigen behandelt werden müssen.
  • Aus dieser Hürde wurde im Jahr 2004 eine fast gänzliche Arbeitsmarktblockade. Aufgrund eines Erlasses des Sozialministeriums dürfen für Asylsuchende seit 2004 nur mehr kurzfristige Beschäftigungsbewilligungen (begrenzt auf maximal 6 Wochen bzw. 6 Monate) für Saison- und Erntearbeit ausgestellt werden. Die insgesamt verfügbaren Saison- und Erntearbeitsstellen werden durch eine jährlich festgelegte Anzahl pro Bundesland begrenzt.
  • Asylsuchende werden darüber hinaus im Regelfall nicht vom AMS bei der Suche nach verfügbarer und gesetzlich erlaubter Arbeit unterstützt.
  • Selbständige Beschäftigung ist Asylsuchenden ab drei Monate nach Asylantragsstellung offiziell erlaubt. Einschränkungen in der Erteilung von Gewerbeerlaubnissen gibt es durch Inländervorbehalte und Schwierigkeiten bei der Anerkennung von nicht-österreichischen Befähigungsnachweisen. Asylsuchenden fehlt oft auch das erforderliche Startkapital und die nötigen Kontakte. Leichter möglich ist die ‚Neue Selbstständigkeit’, eine Art Scheinselbstständigkeit, für die es keine besonderen Vorraussetzungen zu erfüllen gibt. Für Asylsuchende relevant sind dabei vor allem die Bereiche Zeitungsaustragen und Sexarbeit.
  • Neben saisonaler Beschäftigung und prekärer Selbstständigkeit haben Asylsuchende in einigen Bundesländern die Möglichkeit, sich in beschränktem Umfang gemeinnützig zu betätigen. Dabei verrichten sie für maximal 3-5 € die Stunde Hilfstätigkeiten für die Einrichtungen bzw. Gemeinden, in denen sie untergebracht sind. Eine qualifizierte, längerfristige und regulär bezahlte Arbeit können diese nur sehr eingeschränkt verfügbaren Projekte jedoch nicht ersetzen.
  • Für jugendliche AsylwerberInnen, die eine Lehre machen wollen, gilt eine Beschränkung auf Lehrberufe, in denen ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht. Darüber hinaus werden diese Jugendlichen gegen ÖsterreicherInnen und EU-BürgerInnen benachrangt behandelt.

Hohes Risiko bei Arbeitsaufnahme

Zusätzlich zu den bereits genannten rechtlichen und faktischen Hürden wird die Aufnahme einer Beschäftigung oftmals durch inadäquate und realitätsfremde Rahmenbedingungen unattraktiv gemacht: Asylsuchende, die eine Arbeit aufnehmen, müssen einen Kostenbeitrag zur Grundversorgung leisten, die ihnen zugestandene Zuverdienstgrenze liegt ausgesprochen niedrig. Einer alleinstehenden Person wird in den Bundesländern in der Regel nur 110 Euro des Einkommen belassen, darüber liegende Beträge werden mit Grundversorgungsleistungen gegenverrechnet, z.B. dem Verpflegungsgeld (ca. 150 Euro) und/oder dem Taschengeld (40 Euro). Es droht auch der Verlust der gesamten Grundversorgung, somit auch der Unterkunft in einem Quartier. Der Verdienst wird dabei auch auf die Folgemonate aufgerechnet; Nach Beendigung der Arbeit ist eine Wiederaufnahme in die Grundversorgung erst möglich, wenn das einen bestimmten monatlichen Betrag überschreitende Entgelt (in Wien etwa € 450) verbraucht ist. Wenn Asylsuchende z.B. in zwei Monaten insgesamt 1900,- € verdient haben, müssen mit diesem Gehalt nicht nur während der 2 Monate Beschäftigung die Lebenshaltungskosten bestritten werden, sondern auch während der nächsten 2 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Asylsuchenden droht somit, dass sie am Ende eines Arbeitsverhältnisses vor dem materiellen Nichts und auf der Straße stehen.

Arbeitsverbote weder legitim noch verhältnismäßig

Arbeit ist angesichts ihrer Wichtigkeit für ein Leben in Würde ein Menschenrecht – also ein Recht für jeden Menschen (UN Sozialpakt), das ohne Diskriminierung jeglicher Art wie aufgrund von u.a. Hautfarbe, Geschlecht, Religion, nationaler oder sozialer Herkunft, Geburt oder anderem Status gewährt werden muss. Der UN Sozialpakt ist auf jede Person einschließlich Nicht-StaatsbürgerInnen wie Flüchtlinge und Asylsuchende, unabhängig von ihrem rechtlichen Status und Dokumentierung anwendbar. Wird nun z.B. aufgrund von Nationalität oder Einwanderungsstatus differenziert, so haben die Kriterien für diese Unterscheidung ein legitimes Ziel zu verfolgen und verhältnismäßig zu sein.

Auch die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) enthält Bestimmungen hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt (Art 17 GFK).

Die Beschränkung der Arbeitsmöglichkeit von Asylsuchenden auf Saison- und Erntearbeit scheint weder zweckmäßig noch verhältnismäßig zu sein. Der Erlass aus 2004, der den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende auf Ernte- bzw. Saisonarbeit reduziert, wurde damit begründet, dass die Beschränkung für Asylsuchende auf Ernte- bzw. Saisonarbeit aufgrund der „derzeitige[n] Arbeitsmarktsituation“ und des „nur vorläufige[n] Aufenthaltsrecht[s], das auf Grund der künftig wesentlich rascher abgeschlossenen Asylverfahren in der Regel nur von kurzer Dauer sein wird“, notwendig sei. Weitere, in der öffentlichen Debatte vorgebrachte Argumente für die Beibehaltung des restriktiven Arbeitsmarktzuganges sind: Asylsuchende seien unausgebildete Arbeitskräfte, die der österreichische Arbeitsmarkt nicht benötige; die Gewährung des Zugangs zum Arbeitsmarkt (die auf permanenten Verbleib abziele) sei aus einer integrationspolitischen Sicht nicht vertretbar; die Verhinderung von Fremdenfeindlichkeit in einer angespannten ökonomischen Situation.

Oft viele Jahre auf dem Abstellgleis

Das nur vorübergehend angelegte Aufenthaltsrecht von Asylsuchenden kann – ohne Verschulden von Asylsuchenden – mehrere Jahre dauern. 7029 der beim Asylgerichtshof (AGH) anhängigen Verfahren dauerten per 01.01.2011 bereits mindestens drei Jahre – davon fast 4000 länger als fünf Jahre. Das Argument, dass Asylsuchende ungelernte Arbeitskräfte seien, die die österreichische Wirtschaft nicht brauchen würde, negiert den teilweise hohen Bildungsabschluss von Asylsuchenden ebenso wie die Tatsache, dass auch Nachfrage nach nicht ausgebildeten Arbeitskräften besteht. Die Verweigerung der Integration in den Arbeitsmarkt während des unsicheren Aufenthalts während des Asylverfahren erschwert die Integration jener rund 50 Prozent der AsylwerberInnen, denen nach jahrelanger Beschäftigungslosigkeit ein Schutzstatus zuerkannt wird. Auch im Fall einer negativen Entscheidung hat Erwerbstätigkeit positive Effekte auf die Rückkehr im Herkunftsstaat.

Auch unter Zugrundelegung der Legitimität des Ziels des Schutzes des „inländischen Arbeitsmarktes“ bleibt die Frage bestehen, ob die den Asylsuchenden auferlegten Beschränkungen zur Zielerreichung verhältnismäßig sind. Mit Ernte- bzw. Saisonarbeit sind zum Teil schwerwiegende Nachteile für die asylsuchende Person verbunden. Dazu zählen: begrenzte Beschäftigungsdauer (6 Wochen für Entearbeit bzw. maximal 12 Monate bei Saisonbewilligung), erforderliche Mindestbeschäftigung für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist kaum erreichbar, weshalb sie beim AMS auch nicht als arbeitslos registriert werden und wegen fehlender Vormerkung keine Jobvermittlungsservices und Berufsorientierung und -ausbildung erhalten können. Alle diese Nachteile kommen für Asylsuchende zur Anwendung, unabhängig davon, wie lange ein Asylverfahren dauert. Kritisch anzumerken ist schließlich, dass Asylsuchenden, denen weder Asyl noch subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, bei der „Ausweisungsprüfung“ (§ 10(2) AsylG 2005) das „Nicht-Arbeiten“ zum Nachteil gereicht. Paradoxerweise wird dies als Indiz für mangelnde Integration(-swilligkeit) gewertet.

Asylsuchende wollen einen Beitrag leisten

Ein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt würde es AsylwerberInnen erlauben, zur Wirtschaft des Aufnahmestaates beizutragen, das Sozialbudget des Staates zu entlasten und eigenverantwortlich zu leben. Vermieden werden könnte unzureichender Schutz von Menschenrechten wie das Recht auf einen adäquaten Lebensstandard und das Recht auf Privatleben durch das System der Grundversorgung, auf das Asylsuchende mangels Erwerbstätigkeit angewiesen sind. Erzwungene Untätigkeit führt nicht nur zum Verlust von bereits bestehenden Fähigkeiten und Abhängigkeit vom Aufnahmestaat, sondern hat auch negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit (Recht auf Gesundheit) und die Aussicht einer erfolgreichen Integration nach Erlangung eines Schutzstatus. Das Fehlen eines effektiven Zugangs zum Arbeitsmarkt kann im Extremfall zu so genanntem „constructive refoulement“ führen (z.B. wenn Personen aufgrund von extremer Armut insbesondere wegen fehlender Grundversorgung in Kombination mit fehlendem effektivem Arbeitsmarktzugang in den Verfolgerstaat zurückkehren).

 

Als Quellenmaterial wurde unter anderem auf die Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zu den Forderungen des Refugee Protest Camp zurückgegriffen: http://bim.lbg.ac.at/de/schriftenreihe-refugee-camp

Anhang 2.2 – Zugang zu Bildung für Asylsuchende

Recht auf Bildung, Ausbildung und Weiterbildung oft nicht gewährleistet

Das Recht auf Bildung ist ein fundamentales Menschenrecht, dass in mehrere internationalen Konventionen Eingang gefunden hat. So beinhaltet beispielsweise die Kinderrechtskonvention (CRC) ein umfassendes Recht des Kindes auf Bildung auf der Grundlage der Chancengleichheit. In Österreich besteht nach dem Schulpflichtgesetz Unterrichtspflicht für alle Kinder ab dem 6. Lebensjahr, die sich dauernd – das bedeutet zumindest für die Dauer eines Semesters – in Österreich aufhalten. Somit besteht auch Unterrichtspflicht für alle asylwerbenden Kinder. Dennoch gibt es in österreichischen Erstaufnahmestellen, in denen sowohl Familien mit Kindern als auch unbegleitete minderjährige Asylwerbende während des Zulassungsverfahrens untergebracht sind, nur unzureichende Bildungsangebote. Lange Zeit wurden in diesen Unterkünften überhaupt nur gelegentlich Deutschkurse angeboten. Erst im Herbst 2012 wurden in der Erstaufnahmestelle Ost (Traiskirchen) Behelfsschulklassen eingerichtet.

Verzögerter Schulbesuch

Für viele asylwerbenden Kinder beginnt der Besuch einer Regelschule erst nach Zuweisung in die Landesbetreuung. Das kann Wochen, in manchen Fällen sogar Monate dauern. Sie werden, da sie nicht Deutsch sprechen, als „außerordentliche Schüler“ aufgenommen und besuchen alle verpflichtenden Schulfächer, werden aber am Ende des ersten Schuljahres nicht bewertet, sondern erhalten nur eine Schulbesuchsbestätigung.

Dequalifizierung

Flüchtlingskinder und -jugendliche verfügen aufgrund ihrer speziellen Biographie (Brüche und Lücken in der Bildungslaufbahn durch mehrjährige Flucht, traumatische Erlebnisse, mangelnde Ressourcen und manchmal auch mangelnde Ausbildung im Herkunftsland) vielfach nicht über jene Voraussetzung, die für den Zugang zur Regelschule günstig sind. Sie sind daher auf spezifische Betreuung und Programme angewiesen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Diese unterstützenden Bildungsangebote werden oftmals nur unzureichend zur Verfügung gestellt. Bildungsabschlüsse, die in Drittstaaten erworben wurden, werden in Österreich kaum anerkannt. Dies erschwert den Zugang von AsylwerberInnen bzw. Flüchtlingen zur weiteren/höheren Bildung sowie in weiterer Folge zum Arbeitsmarkt und trägt zur Dequalifizierung bei.

Bürokratische Hürden

Der Zugang zu geförderten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ist an die Möglichkeit gebunden, auf dem Arbeitsmarkt vermittelt zu werden. Da Asylsuchende nicht in die Vermittlung des Arbeitsmarktservice aufgenommen werden, ist auch der Zugang zu Bildungsmaßnahmen faktisch ausgeschlossen. Bei über 15-jährigen minderjährigen Flüchtlingen ist die Aufnahme in öffentliche berufsbildende oder höhere Schulen bei unzureichenden Sprachkenntnissen nach Maßgabe freier Plätze möglich. Voraussetzung für den Besuch berufsbildender Pflichtschulen ist der Abschluss der neunjährigen Schulpflicht im In- oder Ausland sowie eines Lehrvertrags. Der Zugang zu Lehrstellen wird entgegen den Empfehlungen der International Labour Organisation (ILO) in Österreich nicht nach den Regelungen zur Ausbildung, sondern zur Beschäftigung bestimmt. Jugendliche Asylsuchende unterliegen den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) und benötigen, um ein Lehrverhältnis eingehen zu können, eine Beschäftigungsbewilligung. Durch zwei Erlässe des Sozialministers (vom 16.06.2012 und 18.3.2013) kann AsylwerberInnen bis zum 25. Lebensjahr eine Beschäftigungsbewilligungen für alle Lehrberufe erteilt werden, in denen ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht und wenn für die Besetzung der Lehrstelle keine bevorzugte und gleich qualifizierte Ersatzarbeitskraft erfolgreich vermittelt werden kann. Diese Erlässe öffnen zwar die Tür zur Berufsausbildung, lassen jedoch die Neigungen und Interessen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unberücksichtigt, indem nur bei fehlender Nachfrage bevorzugter Gruppen das Bildungsangebot offen steht. Die staatlich geförderten Lehrwerkstätten bleiben ihnen jedoch weiterhin versperrt und Betriebe, die AsylwerberInnen ausbilden, erhalten keine AMS-Beihilfen für die Ausbildungskosten.

Kosten als weitere Hürde

Vorbereitungskurse für die Hauptschulabschlussprüfung von verschiedenen Bildungsträgern ermöglichen es den Jugendlichen einen Schulabschluss zu erlangen. Solche Möglichkeiten stehen jedoch nicht kostenlos zur Verfügung. Vor allem bei nicht mehr schulpflichtigen Jugendlichen fehlen häufig regionale Angebote. Die Fahrtkosten zur Bildungs- oder Ausbildungsstätte sowie andere Schulmittel werden – anders als bei schulpflichtigen Kindern – nicht generell durch die Grundversorgung abgedeckt und können auch nicht vom monatlichen Taschengeld von 40 Euro bezahlt werden.

Folgen des blockierten Zugangs zu Bildung

Auch wenn bei Bildungs- und Ausbildungsfragen nicht das Leben der Betroffenen auf dem Spiel steht, wird oftmals ein Rechts- und Lebensgut verweigert, das grundlegend für das individuelle Fortkommen in der Gesellschaft ist. Nicht zu unterschätzen ist hier auch der Aspekt von Bildung als psychischer Stabilisierungs- und Sinngebungsfaktor für vor allem jugendliche AsylwerberInnen. Die sozialen, menschlichen und auch finanziellen Folgekosten des oftmals nicht gegebenen effektiven Zugangs zu Bildung, Ausbildung und Weiterbildung sind enorm.

 

Als Quellenmaterial wurde unter anderem auf die Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zu den Forderungen des Refugee Protest Camp zurückgegriffen: http://bim.lbg.ac.at/de/schriftenreihe-refugee-camp

Anhang 3 – Beseitigung mangelhafter Grundversorgung

Asylsuchende sind keine halben Menschen

Am 18. Juli 2012 fällte das deutsche Bundesverfassungsgericht eine auch für Österreich richtungweisende Entscheidung. Um ein menschenwürdiges Leben führen zu können, müsse die Unterstützung für Asylsuchende an den Regelbedarf, der für Arbeitslosengeldbezieher gilt, angepasst werden, entschieden die deutschen Verfassungshüter. Sie hielten die niedrigeren Leistungen für Asylsuchende weder für nachvollziehbar berechnet noch realitätsgerecht, außerdem erachteten sie die durch die geringe Unterstützung intendierte „Abschreckungswirkung“ als unzulässig. Das „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“, umfasse neben der physischen Existenz auch ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das 2004 in Österreich für die Versorgung von Asylsuchenden eingeführte Grundversorgungssystem bietet weder Möglichkeiten für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben noch ausreichende Unterstützungsbeiträge für Unterkunft, Lebensunterhalt und gesellschaftliche Teilhabe.

Menschenwürdiges Leben oft nicht gewährleistet

Das System der Grundversorgung sieht die Gewährung von Leistungen in organisierten Quartieren (Gasthöfen, Pensionen, NGO-Heimen) oder in Privatunterkünften vor. AsylwerberInnen, die in privat angemieteten Quartieren wohnen, erhalten jedoch so niedrige Unterstützungsleistungen, dass ein menschenwürdiges Leben oft nicht gewährleistet ist. Für den Wohnbedarf sind monatlich maximal 120 Euro für eine alleinstehende Person vorgesehen, für den Lebensunterhalt monatlich 200 Euro für eine erwachsene Person, für Bekleidungshilfe werden 150 Euro pro Jahr in Form von Gutscheinen zur Verfügung gestellt. Derzeit erhalten also privat wohnende AsylwerberInnen 320 Euro + 12,50 Euro Bekleidungshilfe monatlich. Für Familien sind monatlich maximal 240 Euro für Mietkosten vorgesehen, für die Lebenshaltungskosten eines Kindes beträgt die Unterstützung 90 Euro pro Monat. Insbesondere das für Minderjährige im Familienverband vorgesehene Verpflegungsgeld ist für eine gesunde Ernährung und Entwicklung des Kindes viel zu wenig
.

Alltägliche Rechenbeispiele

Bei privat wohnenden Personen mit Grundversorgungsanspruch zeigt sich die Kluft zu Leistungen für Österreicherinnen und Österreicher mit großer Deutlichkeit: Für StaatsbürgerInnen und diesen gleichgestellte Personen, die hilfsbedürftig sind, weil sie nicht in der Lage sind, selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, wird bedarfsorientierte Mindestsicherung gewährt. Diese Mindestsicherung besteht aus zwei Teilen: 596,18 Euro Grundbetrag und 198,73 Euro Wohnkostenanteil pro Monat. Zusammen sind das 794,91 Euro (im Rahmen der Mindestsicherung können auch den Grundbetrag übersteigende Wohnkosten gewährt werden). Personen in Lebensgemeinschaften bekommen den 1,5-fachen Betrag, also1192,37 Euro. Für Kinder gibt es jeweils 143,08 Euro, ab dem 4. Kind 119,24 Euro. Eine österreichische Familie mit zwei Kindern erhält also 1478,35 Euro Mindestsicherung. Eine vierköpfige Asylwerberfamilie muss demgegenüber mit 59 Prozent dieses Betrags, nämlich 870 Euro auskommen (StaatsbürgerInnen können darüber hinaus weitere Unterstützungen erhalten, z.B. Familienbeihilfe, Wohnbeihilfe, Heizkostenzuschuss oder andere in den jeweiligen Landesgesetzen vorgesehene Beihilfen). Alleinstehende Asylsuchende erhalten überhaupt nur 42 Prozent des Mindestsicherungsbetrags; nämlich 332,50 Euro pro Monat. Österreich wurde vom UN Komitee für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte wegen dieser deutlich niedrigeren Sozialhilfe für AsylwerberInnen gerügt, geschehen ist in dieser Hinsicht jedoch nichts.

Mangelverwaltung

Mangelverwaltung prägt auch die Flüchtlingsheime. Bei maximal 19 Euro pro Tag für die Unterbringung und Verpflegung, die QuartiergeberInnen pro Person erstattet erhalten, kann es nicht verwundern, dass WirtInnen bei Menge und Qualität der Verpflegung und bei der Ausstattung sparen, alleinstehende Personen in Mehrbettzimmern wohnen müssen, keine geeigneten Aufenthalts- bzw. Lernräume für Kinder vorhanden sind, Reparaturen und Renovierungsarbeiten unterbleiben oder dass NGOs als Quartiergeber zusätzlich Spenden sammeln müssen, um menschenwürdiges Leben im Heim zu ermöglichen. Zuständig für die Grundversorgung sind das Innenministerium (von der Asylantragstellung bis zur Zulassung des Antrags zur Prüfung in Österreich) und die Länder (nach der Verfahrenszulassung). Einheitliche österreichweite Standards für die Grundversorgung fehlen, die Gesetze legen nur die Kostenhöchstsätze fest
.

Im Bereich der Sachleistungen mangelt es an (Mindest-)Standards für

  • die Größe, Einrichtung und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften,
  • die Qualifikationsanforderungen für das einzusetzende Betreuungspersonal,
  • angemessene – also u.a. gesunde, nahrhafte und unter Berücksichtigung der jeweiligen Essgewohnheiten geplante – Verpflegung,
  • die Ausstattung mit notwendigen Sanitärartikeln,
  • die Gewährung notwendiger Kleidung (entsprechend der Wetterbedingungen in Österreich, notwendige Erstausstattung etc.),
  • die interne Organisation der Unterkünfte und den Umfang wie auch die Grenzen der durch die BetreiberInnen aufstellbaren Hausordnungen.

Die fehlenden Standards können zu Menschenrechtsverletzungen führen und bedrohen etwa das Recht auf angemessenen Wohnraum, auf Nahrung, auf Gesundheit (wie auch auf ausreichende Hygiene) sowie das Recht auf Familien- und Privatleben.

Befreiung von Willkür

Die BetreiberInnen einer Unterkunft haben das Recht Hausordnungen aufstellen. Diese müssen jedoch, damit die Asylsuchenden nicht von der Willkür der BetreiberInnen abhängen, gewissen Mindestanforderungen genügen und die Rechte der BewohnerInnen achten. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass es für die Asylsuchenden keine Wahlfreiheit bezüglich des Aufenthaltsortes und kaum Rechtsschutzmöglichkeiten gibt. Neben einer nicht gesundheitsgefährdenden Unterbringung ist der Zugang zu Gesundheitsversorgung bestmöglich sicherzustellen. Es sollte außerdem die Möglichkeit geben – auch wenn Sachleistungen bereitgestellt werden – die Speisen selbst zuzubereiten und nicht von vorbereiteten Speisen abhängig zu sein. Das eigene Zubereiten der Mahlzeiten gibt Selbstbestimmung, gliedert den Tagesablauf und ermöglicht bestmöglich die Berücksichtigung individueller Ernährungsgewohnheiten.

Hausordnungen sollten die BewohnerInnen in leicht verständlicher Weise über ihre Rechte und Pflichten informieren und in den gängigen Sprachen zur Verfügung stehen. Androhungen von Sanktionen sollten auf das für das Zusammenleben und den reibungslosen Ablauf notwendige Mindestmaß beschränkt werden.

Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse

Bei der Definition der Betreuungsstandards müsste auf den Bedarf besonders schutzbedürftiger AsylwerberInnen (AlleinerzieherInnen, Schwangere, ältere und gebrechliche AsylwerberInnen, unbegleitete minderjährige AsylwerberInnen, Opfer von Folter und Gewalt) Bedacht genommen werden. Der spezielle Betreuungsbedarf soll so rasch wie möglich nach der Ankunft ermittelt und bei der Zuweisung in geeignete Quartiere berücksichtigt werden.

Mit der Länge des Aufenthalts sollten die Möglichkeiten, von einem organisierten in ein privates Quartier zu wechseln, deutlich erleichtert werden. Dazu bedarf es einer Anpassung der Mietunterstützung an die Gegebenheiten des Wohnungsmarktes. Analog der Mindestsicherung wäre dabei auch die Anzahl der im gemeinsamen Haushalt wohnenden Personen zu berücksichtigen. Der Umfang und die Art und Weise, wie Sachleistungen (Verpflegung, Unterkunft) gewährt werden, dürfen nicht davon abhängen, von wem einE AsylsuchendeR grundversorgt wird. Daher müssen dringend einheitliche bindende Standards entwickelt werden. In diesen Standards sind klare Anforderungen aufzustellen, die eine angemessene Unterbringung mit hinreichendem Respekt für die Privatsphäre vorsehen und ein Mindestmaß an autonomer Lebensgestaltung ermöglichen.

Minimalleistungen werden vielfach gekappt

Hilfsbedürftigkeit ist Voraussetzung für die Leistungsgewährung, weshalb diejenigen ausgeschlossen sind, die über eigene Mittel zur Bedarfsdeckung verfügen. So schließt, je nach Bundesland, z.B. der Besitz eines Flachbild-Fernsehers, anderer Wertgegenstände oder eines Pkw die Hilfsbedürftigkeit aus. Sämtliche Einkünfte werden entweder mit Grundversorgungsleistungen bis auf einen Freibetrag von 110 Euro gegenverrechnet oder führen zur Beendigung der Grundversorgung. Laut Grundversorgungs-Vereinbarung kann die Grundversorgung u.a. eingeschränkt oder eingestellt werden, wenn eine Person „die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Unterkunft fortgesetzt und nachhaltig gefährdet.“ Daneben enthalten die meisten GV-Gesetze weitere – unterschiedlich weit reichende und zum Teil problematische – Einschränkungsmöglichkeiten.

Die Grundversorgung soll für die Dauer des Asylverfahrens sowie, bei einer rechtskräftig negativen Entscheidung über den Asylantrag, auch darüber hinaus gewährt werden, soweit die Betroffenen nicht abschiebbar sind. Weiterhin ist sie an so genannte subsidiär Schutzberechtigte, denen gemäß § 8 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde, sowie an „Fremde ohne Aufenthaltsrecht“, die „aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abschiebbar sind“, zu leisten. Insbesondere bei der letzten Gruppe kommt es teilweise zu sehr restriktiven Auslegungen durch die Behörden, sodass immer wieder Personen, die faktisch nicht abgeschoben werden können, die Grundversorgung verweigert wird. Eine restriktive Auslegung dieser Begrifflichkeit ist ein klarer Verstoß gegen menschenrechtliche Erfordernisse, wonach es auch nicht genügt, wenn als Voraussetzung für die Weitergewährung der Grundversorgung nach negativem Ausgang des Asylverfahrens gefordert wird, dass die Fremdenpolizei zunächst eine entsprechende „Karte für Geduldete“ ausstelle. In der Praxis wird der Duldungsstatus nur sehr restriktiv bescheinigt und dann nach oft monatelanger Wartezeit. Das stellt eine Verweigerung menschenrechtlicher Verpflichtungen dar, drängt Schutzsuchende in die Kriminalität und stellt den Versuch dar, eine Ausreise über die Verweigerung jeglicher Unterstützung zu erzwingen – statt das insoweit vorgesehene rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten.

Aber auch Asylsuchenden, die sich noch in einem laufenden Verfahren befinden, wird immer wieder die Grundversorgung gekürzt oder gestrichen, sie werden, wie es verharmlosend heißt, „aus der Grundversorgung entlassen“. In der Grundversorgungs-Vereinbarung ist (nur) vorgesehen, dass bei Verstößen gegen Vorschriften in einer Unterkunft oder bei Gewalt in Wohnungen eine Einschränkung zulässig ist. Die in den Länder Grundversorgung -Gesetzen vorgesehenen weiteren Einschränkungsmöglichkeiten sind teilweise rechtlich fragwürdig und finden auch keine Deckung durch die bindende EU-Aufnahmerichtlinie. Bei jeder Einschränkung sind immer die menschenrechtlichen Grenzen einer solchen Einschränkung zu beachten. Gegen jede Einschränkung muss ein effektives Rechtsmittel gegeben sein.

Gleiches gilt für die Regelung in der Grundversorgungs-Vereinbarung, wonach die Grundversorgung bei Anhaltung einer Person (insbesondere Schubhaft oder gelinderes Mittel) „ruhe“. Jedes Jahr erhalten etwa 2000 AsylwerberInnen nicht alle in der Grundversorgung vorgesehenen Leistungen, weil sie in Schubhaft oder dem Gelinderen Mittel angehalten werden. Sie sind sowohl bei der Krankenversicherung als auch beim Taschengeld diskriminiert, zudem erhalten sie keine soziale Beratung.

Im Jahr 2012 wurden rund 100,2 Millionen Euro für die Grundversorgung ausgegeben. Das Absenken der Barrieren für die Beschäftigung von AsylwerberInnen würde diese Kosten verringern und AsylwerberInnen hätten nach Abschluss des Asylverfahrens bessere  Perspektiven, sowohl in Österreich als auch, im Fall der Rückkehr, im Herkunftsstaat.

 

Als Quellenmaterial wurde unter anderem auf die Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zu den Forderungen des Refugee Protest Camp zurückgegriffen: http://bim.lbg.ac.at/de/schriftenreihe-refugee-camp

Anhang 4 – Zugang zum Recht im Asylverfahren

Undurchschaubares Asylrecht

Es gibt kaum ein anderes Rechtssystem, das in den vergangenen Jahren so komplex und schwierig zu durchschauen geworden ist, wie das Asylrecht. Jedes Jahr kommen neue Regeln hinzu, die es inzwischen sogar für ExpertInnen schwierig machen, sich im Paragraphendschungel zu Recht zu finden. Schutzsuchende Menschen, bei denen es in vielen Fällen um Leben oder Tod geht, sind somit mit einem Asylsystem konfrontiert, bei dem sie keine Chance haben, sich ohne professionell geschulte Unterstützung zurechtzufinden.

Fehlende Begleitung durch den Asyldschungel

Kostenlose rechtliche Beratung und Vertretung von AsylwerberInnen ist jedoch nur in Teilbereichen des Asylsystems vorgesehen. Weder für das zugelassene Verfahren vor dem Bundesasylamt noch für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof können AsylwerberInnen auf die Unterstützung durch umfassende und qualifizierte Rechtsberatung oder kompetente rechtliche Vertretung zählen.

Fehlende Qualitätsstandards – mit haarsträubenden Konsequenzen

Für die gesetzliche Rechtsberatung bestehen derzeit keine ausreichenden Qualitätsstandards. Zudem ist sie systematisch unterfinanziert. Nur Organisationen, die bereit sind  massiv Spendenmittel einzusetzen, können unter diesen Bedingungen anständige Arbeit machen. In diesem System wird Untätigkeit genau gleich abgegolten wie Engagement. Etwa 200 Euro stellt der Staat für die rechtliche Unterstützung im Beschwerdeverfahren zur Verfügung. Damit sollen sowohl die Arbeitszeit für das Beratungsgespräch mit dem Asylwerber, das Verfassen einer Beschwerde, Recherchen, das Verfassen von Stellungnahmen, eventuell auch die Vorbereitung und Begleitung zu mündlichen Verhandlungen beim Asylgerichtshof abgegolten werden, als auch Sachkosten (Dolmetscher, Fahrtkosten, Weiterbildung, Overhead,..)

Gesetzlich beauftragten RechtsberaterInnen steht es frei zu entscheiden, ob sie AsylwerberInnen beim Verfassen einer Beschwerde gegen die negative Entscheidung helfen oder nur allgemein über das weitere Verfahren informieren. Im Jahr 2012 wurden 4562 negative Entscheidungen des Bundesasylamts nicht beeinsprucht. Dabei haben Beschwerden gegen negative Entscheidungen des Bundesasylamts durchaus Aussicht auf Erfolg, obwohl auch die Verfahren und Entscheidungen des Asylgerichtshof durchaus kritikwürdig sind: Immerhin jeder siebente Einspruch führte zu Asylgewährung!

Fehlende Standards wirken sich im gesamten Asylverfahren negativ und verfahrensverlängernd aus. Die am Bundesasylamt tätigen ReferentInnen sind vielfach nicht juristisch gebildet und die mangelnde Qualität von Dolmetschleistungen führt zu Widersprüchen in den Aussagen der AsylwerberInnen, womit Fluchtgeschichten als unglaubwürdig abgetan und Asylanträge zu Unrecht abgewiesen werden. Zudem fehlt es häufig an einer Atmosphäre des Vertrauens, die es Asylsuchenden ermöglichen würde, alle Aspekte ihrer Fluchtgeschichte darzulegen. Das wäre aber besonders für Flüchtlinge, die unter den Folgen von Gewalt oder Folter leiden, besonders wichtig. Qualitätsvolle und unabhängige rechtliche Unterstützung im erstinstanzlichen Verfahren würde dazu beitragen, Schutzbedürftige bereits im Verfahren erster Instanz zu identifizieren und damit Folgekosten durch das Gerichtsverfahren und für die Versorgung zu einzusparen. In zahlreichen Verfahren vor dem Asylgerichtshof wird ohne mündliche Verhandlung entschieden, obwohl es im Asylverfahren um existentielle und menschenrechtliche Fragestellungen geht.

Kaum Rücksicht genommen wird auf die Bedürfnisse und spezifischen Fluchtgründe von Minderjährigen. Die Beachtung des Kindeswohls bleibt im Asylverfahren vielfach auf der Strecke.

Anhang 5 – Fehlende solidarische Flüchtlingspolitik in der EU

Tödliche Festungspolitik

Jedes Jahr kommen zwischen tausend und zweitausend Menschen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ums Leben. Die EU investiert enorme Mittel in den Ausbau des Grenzschutzes und in Grenzkontrollen und riskiert damit, dass Flüchtlinge immer höhere Risiken auf sich nehmen müssen, um in Europa Schutz zu finden. Legale Wege der Einreise, z.B. mit einem Visum, stehen Flüchtlingen in der Regel nicht offen, weil ihnen oft die erforderlichen Papiere fehlen, insbesondere aber, weil die EU-Staaten sich darauf geeinigt haben, Visa nur zu erteilen, wenn die Wiederausreise nach Ablauf des Visums gesichert erscheint.

„Ich bin heute Morgen angekommen. Ich war in dem Boot, das untergegangen ist. Als das Wasser anfing, in das Boot zu schwappen, bin ich im Gesicht verletzt worden. Ich musste kämpfen, um zu überleben. Viele haben es nicht geschafft.“ (Junger Flüchtling in Italien, 2011, betreut von Ärzte ohne Grenzen)

Fehlende Standards

Viel hängt davon ab, in welchem Land schutzsuchende Menschen, die es schaffen, nach Europa zu gelangen, einen Asylantrag stellen. Denn die Behandlung von Asylsuchenden ebenso wie die Qualität der Asylverfahren variiert signifikant zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Ein und derselben Flüchtlingsgruppe wird in einem Land Schutz gewährt, während sie in einem anderen Land als „nicht schutzbedürftig“ zurückgewiesen oder sogar in Haft genommen werden. Das durch EU-Richtlinien angestrebte harmonisierte Europäische Asylsystem gleicht heute noch immer einer Asyllotterie.

Internierung macht krank

Viele Flüchtlinge werden in Europa systematisch eingesperrt: In Malta zum Beispiel werden Neuankömmlinge in der Regel zwölf und bis maximal 18 Monate eingesperrt. In Griechenland werden sie in der Regel für sechs und bis maximal zwölf Monate inhaftiert. In Italien wurde die maximale Dauer einer Inhaftierung im Jahr 2009 auf 18 Monate verlängert. Die Haftbedingungen sind häufig so katastrophal, dass die Frauen, Männer und Kinder davon krank wurden. Nebst psychologischen Erkrankungen (z.B. PTBS – Posttraumatische Belastungsstörung), kommt es vor allem zu

  • Infektionen der oberen und unteren Atemwege, weil die Patienten der Kälte ausgesetzt sind;
  • Beschwerden im Bewegungsapparat, weil die Patienten in einer feucht-kalten Umgebung leben und sich nicht genug bewegen können;
  • Durchfall und Magen-Darm-Infektionen, weil die Ernährung mangelhaft ist, die Menschen sich zu wenig bewegen können und sie unter Stress leiden;
  • Hautkrankheiten, weil zu viele Menschen auf zu engem Raum und ohne ausreichend sanitäre Anlagen leben müssen.

Menschen-Pingpong durch Dublin-II

Durch die so genannte Dublin-II-Verordnung wurde festgelegt, dass im Regelfall  jenes EU-Mitgliedsland für die inhaltliche Behandlung eines Asylantrages zuständig ist, das von der schutzsuchenden Person zuerst betreten wurde. Dieses System fördert nicht nur die Ungleichverteilung von Asylanträgen, da EU-Staaten an den Rändern der Union ungleich häufiger die Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme übernehmen müssen als EU-Staaten ohne Außengrenzen. Das System führt auch dazu, dass Schutzsuchende nicht in den Ländern, in denen sie Verwandte oder Bekannte haben oder deren Sprache sie sprechen, ihren Asylantrag geprüft bekommen.

Was bedeutet die Dublin-II-Verordnung für Flüchtlinge?

  • Menschenrechtswidrige Zustände: Im „Dublin“-Land können menschenrechtswidrige Zustände herrschen. Dies kann an den Lebens- oder Anhaltebedingungen liegen, es kann aber auch das Asylverfahren für die geflüchtete Person – gemessen insbesondere an der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention – so unzugänglich oder mangelhaft sein, dass ihm/ihr die Kettenabschiebung bis ins Herkunftsland droht.
  • Schwierige Beweislage für den/die AsylwerberIn: Trotz dieser Realität wurde es in den Asylverfahren der meisten Länder den AsylwerberInnen fast unmöglich gemacht, die der Dublin-Verordnung zugrunde liegende Annahme, dass das zuständige EU-Land menschrechtliche und asylrechtliche Garantien einhält, durch Beweise zu widerlegen. In Österreich judiziert der Asylgerichtshof regelmäßig: „Es bedarf [...] eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der „Sicherheit” der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. [...] Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949). Diese Tatsache kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber – im Einklang mit dem Unionsrecht – vorgenommene Wertung [...] überhaupt für unbeachtlich zu erklären [...].”
  • Kritik des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR): Am 21. Jänner 2011 äußerte sich der EGMR im Fall „M.S.S. gegen Belgien und Griechenland“ zur Dublin II-Verordnung. Er verurteilte die Überstellung eines afghanischen Asylwerbers von Belgien nach Griechenland, weil dort die Lebens- und Haftbedingungen menschenunwürdig und das Asylsystem dysfunktional seien. Der Europäische Gerichtshof bestätigte in seinem Urteil vom 21.12.2011 die Unzulässigkeit von Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland unter der Dublin II-Verordnung. Am 13.01.2012 erteilte der EGMR einen Abschiebestopp für einen sudanesischen Asylwerber von Österreich nach Ungarn und lieferte damit einen weiteren Beweis dafür, dass die Annahme menschenrechtskonformer Behandlung von Asylsuchenden in allen EU-Staaten mehr Wunsch als Realität ist.
  • Verantwortung der Mitgliedsstaaten: Zwar verpflichten die Entscheidungen des EGMR formal nur die verurteilten Staaten zu deren Befolgung und Umsetzung, doch laufen auch alle anderen EU-Staaten Gefahr verurteilt zu werden, wenn sie weiterhin nach Griechenland bzw. Ungarn abschieben. Auch in anderen Dublin-Staaten sind die Asylbehörden nun gefordert, sowohl früher als auch rascher Bedenken an der menschen- und EU-rechtskonformen Behandlung nachzugehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) dazu: „Es obliegt nämlich den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht verborgen geblieben sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber ernstlich und erwiesenermaßen Grund zu der Annahme geben, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung [...] ausgesetzt zu werden.“
  • Bedürfnisse von Schutzsuchenden bleiben unberücksichtigt. Es wird zwar auch in der Dublin-Verordnung der Zusammenführung von Familien, die durch Flucht getrennt wurden, Priorität eingeräumt, als Familienangehörige zählen jedoch nur (Ehe-)partnerInnen sowie minderjährige unverheiratete Kinder. Gute Gründe würden dafür sprechen, auch für (volljährige) Geschwister oder andere Verwandte zu berücksichtigen. Familienangehörige sind auch bei der Integration ein maßgeblicher Faktor.

 

Als Quellenmaterial wurde unter anderem auf die Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zu den Forderungen des Refugee Protest Camp zurückgegriffen: http://bim.lbg.ac.at/de/schriftenreihe-refugee-camp

Europäische Grundrechteagentur:
Separated, asylum-seeking children in European Union Member States (Comparative Report) / 1808 / Agency (10/08/2012 )
Access to effective remedies: The asylum-seeker perspective (Thematic report) / 1807 / Agency (10/08/2012 )
Coping with a fundamental rights emergency: The situation of persons crossing the Greek land border in an irregular manner / 1628 / Agency (10/08/2012)
Report – Detention of third-country nationals in return procedures / 1460 / Agency (10/08/2012 )

 

Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen [20.02.2013]

TeilnehmerInnen des Arbeitskreises Undokumentierte haben ein Papier mit Antworten auf zentrale Fragen im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen erarbeitet. Die FAQs (“Frequently Asked Questions” bzw. “Häufig Gestellte Fragen”) sollen als Orientierungshilfe in der aktuellen Diskussion um den Arbeitsmarktzugang von AsylwerberInnen dienen.

 

Grundsatzpapier der Agenda Asyl zur Grundversorgung [Juni 2012]

 

Leben im Flüchtlingsquartier [24.01.2012]

Asylkoordination österreich: Standards in der Versorgung und Betreuung von Asylsuchenden/Studie

 

Missstände in Kärntner Flüchtlingsunterkünften. Die Volksanwaltschaft fordert bundesweit strukturelle Verbesserungen, einheitliche Standards und ein effizienteres Beschwerdemanagement

 

Agenda Asyl fordert gesetzliche Neuregelung der Bleiberechtsbestimmungen [3.12.2010]

Flüchtlings-NGOs verlangen Abschiebeschutz, eigenständiges Bleiberechtsverfahren und eine einmalige Stichtagsregelung
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Ungarn kein sicherer Asylstaat [Presseaussendung, 26.09.2012]

Appell an Europäische Staaten, AsylwerberInnen, die durch Serbien eingereist sind, nicht nach Ungarn zurückzuschicken. Mit weiteren Links zu Berichten über Ungarn

 

Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2012:
Mangelhafte Prüfung vor Abschiebung nach Ungarn. Jahresbericht 2012, S 128
Bundesasylamt missachtet Recht auf Privat- und Familienleben. Jahresbericht 2012, S 129f
Dauer der Verfahren beim AsylGH – effizienter Rechtsschutz? Jahresbericht 2012S 130f
Fremdenpolizei Wien verursacht seit Jahren Verfahrensverzögerungen, Jahresbericht 2012, S 133ff

 

UNHCR: Asylwerber, Migrant, Flüchtling?



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